Deprecated: Calling get_class() without arguments is deprecated in /home/.sites/967/site1320840/web/communitybuilding/wp-includes/class-wp-http.php on line 329 Warum wir Communities brauchen – Community Building Austria

Warum wir Communities brauchen

Community Text von CBA.
zum 2. Community Heads Treffen, 30.11.2023
mit Zitaten aus The Care Manifesto von The Care Collective

“Ein WIR entsteht, wenn sich Menschen zusammentun und am selben Strang ziehen. So
entsteht eine neue Kraft, die nur die Gemeinschaft hervorbringen kann. Das […] sehen wir als unseren Auftrag. […] Denn ein WIR ermöglicht, was die:der Einzelne nicht schaffen kann.”
Ein Statement, das ein bisschen klingt wie ein von KI generierter Text zum Thema Zusammenhalt, ist die aktuelle Werbekampagne einer österreichischen Bankengruppe. Neben green- und pink-washing lässt sich auf Werbeflächen von Unternehmen auch so etwas wie community-washing beobachten. In PR Kampagnen werden Produkte mit einem Gefühl von Verbundenheit verkauft. Mit einem Gefühl, das im Alltag von Vielen, zwischen Arbeitsstress, Sorgepflichten und ehrenamtlicher Arbeit, zu kurz kommt. In einem Alltag, in dem sogar das Pflegen von sozialen Kontakten sich anfühlen kann, wie ein weiterer Punkt auf der ToDo Liste, zu dem eigentlich die Energie fehlt. Das ist der Alltag in einer Realität, die The Care Collective in The Care Manifesto so beschreibt:
“Over the past few decades, many of us have experienced living in an accelerating social system of organised loneliness. We have been encouraged to feel and act like hyper-individualised, competitive subjects who primarily look out for ourselves.” (S45)


(„In den letzten Jahrzehnten haben viele von uns die Erfahrung gemacht, in einem sich beschleunigenden sozialen System der organisierten Einsamkeit zu leben. Wir wurden darin bestärkt, uns als hyper-individualisierte, wettbewerbsorientierte Subjekte zu fühlen und zu verhalten, die in erster Linie auf sich selbst achten.” (S45))

Sich zu Gemeinschaften von Menschen, mit denen wir Erfahrungen und Interessen teilen, zugehörig zu fühlen, ist ein grundlegendes Bedürfnis. Gut funktionierende Gemeinschaften haben aber nicht nur das Potential, ihre Mitglieder zufriedener und weniger allein zu machen. Communities können auch Strukturen für Care, also für Sorge und für gegenseitige Zuwendung, schaffen. Das haben wir vor allem während der Corona-Krise gesehen. Wo Politik und staatliche Institutionen keine Unterstützung geleistet haben, haben sich Nachbarschaftshilfen zusammengetan, sind für alte oder kranke Menschen einkaufen gegangen und haben sich in gemeinschaftlichen Zusammenhängen gegenseitig unterstützt.
Im “new normal” gab es auch Stimmen, die sich dafür aussprachen, die Möglichkeiten dieser Krise zu erkennen:

“ […] the global lockdown has paradoxically given us sudden, fragmented glimpses of how
we could create better worlds. We have witnessed the sharing of equipment between
nations, improved air quality, local mutual aid practices, and reduced working hours. We
have also witnessed grateful recognition of the value of hands-on care and other forms of
essential work.” (S85)

(„[…] Der globale Lockdown hat uns paradoxerweise flüchtige Einblicke in mögliche bessere Welten gegeben. Wir haben die gemeinsame Nutzung von Ressourcen zwischen Ländern, die Verbesserung der Luftqualität, lokale Praktiken der gegenseitigen Unterstützung und kürzere Arbeitszeiten erlebt. Wir haben auch erlebt, dass der Wert der Pflegearbeit und
anderer gesellschaftlich unverzichtbarer Arbeit mit Dankbarkeit anerkannt wurde.“ (S85)“)


Geteilte Ressourcen über Grenzen hinweg, saubere Luft, Nachbarschaftshilfen und Delfine in den Kanälen Venedigs ( – nicht in Venedig, sondern in Sardinien, wie sich später herausstellen sollte). Diese optimistische Phase am Beginn der Krise war kurz, und doch hat sie uns gezeigt, zu welchem Ausmaß wir als Gesellschaft auf Care und Care-Arbeit angewiesen sind und wie wichtig unsere Communities für unser Leben sind. Aber – so viele lebendige Communities wir auch haben, so sehr sind wir immer noch Teil einer Gesellschaft, die das Individuum, die Kernfamilie und den wirtschaftlichen Erfolg ins Zentrum stellt.
“Communities can of course be romanticised. We can all think of examples of „non-care“ in the community. From „care-homes” not worthy of the name, to the negative solidarity of mutual suspicion and scape-goating, the idea of care can be used to push controlling and reactionary agendas. To be clear, what „caring communities“ does not mean is using people’s spare time to plug the caring gaps left wide open by neoliberalism. It means ending neoliberalism in order to expand people’s capacity to care.” (S57)


(„Gemeinschaften können natürlich romantisiert werden. Uns allen fallen Beispiele für „non-care“ in der Gemeinschaft ein. Von „care-homes“, die diesem Namen nicht gerecht werden, bis hin zur negativen Solidarität des gegenseitigen Misstrauens und der Ausgrenzung – die Idee von Care kann dazu benutzt werden, kontrollierende und reaktionäre
Agenden durchzusetzen.
Um es klar zu sagen: „Caring Communities“ soll nicht heißen, die Freizeit der Menschen dazu zu nutzen, um die Lücken von “Care” zu schließen, die der Neoliberalismus hinterlässt. Es bedeutet, den Neoliberalismus zu beenden, um die Kapazitäten der Menschen, sich einander zuzuwenden, zu erweitern.“(S57))


Es braucht mehr Kapazität und Lernräume für Care, in denen wir uns für Menschen verantworten und nicht für Systeme. Wir wollen mehr Platz für Neugier, für ehrliches Interesse und für Zärtlichkeit. Zärtlichkeit? Was heißt das im Kontext von Gemeinschaft? Für uns heißt das, Personen nicht nur als
ökonomische Objekte zu behandeln, und das Wohlergehen einer Person über deren Leistung zu stellen. Es heißt auch, sich – vor allem in Führungspositionen – immer wieder selbst verletzlich zu machen und bei sich selbst anzufangen. Mindestens genauso wichtig wie Zärtlichkeit ist Distanz: genug Distanz zwischen mir und der Community, um zu merken, was für mich passt und was nicht. Wir wollen auch hart sein dürfen. Härte ist nichts Schlechtes, und Grenzen sind wichtig. Wir wollen uns aussuchen,
wann wir zart sein wollen.

Wir wollen mehr gemeinschaftliche Formen des Zusammenlebens und -arbeitens, in denen wir uns auf Augenhöhe begegnen. Wir wollen nicht mit starren Hierarchien, sondern mit flexiblen Rollen arbeiten, die zu unseren Interessen und unseren Stärken passen. In einer Struktur, die unsere Bedürfnisse berücksichtigt, sich unserer unterschiedlichen Lebensrealitäten und Erfahrungen bewusst ist, und diese miteinbezieht. Wo wir uns gegenseitig unterstützen, inspirieren und voneinander lernen können. Deshalb entwickelt CBA Werkzeuge um Strukturen zu schaffen, die solche – caring – Umgebungen
ermöglichen.

“How do we create the kind of caring communities that make our lives better, happier, and even, in some cases, possible? What kind of infrastructures are necessary to create communities that care?“ (S45)

(„Wie schaffen wir diese Art von caring Gemeinschaften, die unser Leben besser und glücklicher, in manchen Fällen sogar erst möglich machen? Welche Art von Infrastrukturen sind notwendig, um Gemeinschaften zu schaffen, die sich umeinander kümmern?“ (S45))

The Care Collective nennt vier Eigenschaften, die Communities zu Caring Communities machen, und bezieht sich dabei vordergründig auf Gemeinschaften im Sinne von lokalen Zusammenhängen:

  1. Mutual Support
  • gegenseitige Unterstützung innerhalb der Community
  1. Space to Care / Public Space
  • Raum der allen gehört, der für alle zugänglich und nutzbar ist
  1. Sharing Stuff / Sharing Ressources
  • teilen von materiellen und immateriellen Ressourcen, Werkzeugen, Wissen, Information,
    online wie offline
  1. Local Democracy
  • demokratische Strukturen, Einbeziehung und gemeinsame Entscheidungsfindung
    Als CBA stellen wir uns regelmäßig die Frage, wie diese Eigenschaften gestärkt werden
    können. In der Arbeit mit Gemeinschaften nehmen laufend neue Perspektiven ein, um neue
    Methoden und Antworten zu finden. Das ist aus unserer Sicht die fünfte Eigenschaft, die
    Caring Communities brauchen. Wir nennen das:
  1. Lernende Strukturen
  • Platz und Mut für Fehler:
    für Fehler, die nicht bestraft werden, sondern als Möglichkeit gesehen werden, zu lernen.
    Wenn etwas schief geht, wird nicht nach Schuldigen gesucht, oder Frust in sich hinein
    gefressen, sondern es wird gemeinsam nach möglichen Änderungen in den gemeinsamen
    Strukturen gesucht.

Dabei werden Emotionen genauso kommuniziert, wie Gedanken und Lösungsvorschläge, immer mit Wertschätzung gegenüber einander. Das ist die Grundlage. Denn im Kleinsten ist eine Community dort wirksam, wo sich eine Einzelperson durch die Teilhabe an der Gemeinschaft bestärkt fühlt:


“Für mich hat das ganz viel verändert. Ich wäre sonst nicht, wo ich heute bin.”
“Mir wurde das einfach zugetraut, und dann hab’ ich gesehen, dass ich das kann.”
“Auf einmal waren da ganz viele Menschen, die sich für die selben Dinge interessieren wie
ich, und ähnliche Erfahrungen gemacht haben.”

“Das schönste ist, dass sich niemand für den Wettbewerb interessiert. Es geht um die Leute
und um die Wertschätzung von ihren Filmen.”


Das alles sind sinngemäß wiedergegebene Zitate von Menschen, die Teil eines Jugendfilmfestivals in Oberösterreich sind. Das Festival besteht schon seit über zwei Jahrzehnten und schafft es, jungen Menschen genau so einen Raum zu öffnen: einen Raum für gegenseitige Bestärkung, für das Teilen von Interessen, Erfahrungen und Ressourcen an einem gemeinsamen Ort. Eine Caring Community.
Wir wollen genau solche positiven Erfahrungen von Gemeinschaft weitertragen und ausweiten. The Care Collective verwendet den Begriff “promiscuous care” und beschreibt damit einen Zugang zu Care, der das Ziel hat, sich ständig zu erweitern.

Fotos © Fiona de Fontana

“Only by multiplying our circles of care (…) will we achieve the psychic infrastructures necessary to build a caring society that has universal care as it’s ideal. (…) we put forward a new ethics of “promiscuous care” that would enable us to multiply the numbers of people we can care for, about and with, thus permitting us to experiment with the ways that we care.”(S33)

(„Nur durch die Vervielfachung unserer circles of care(…) werden wir die psychischen Infrastrukturen schaffen, die notwendig sind, um eine caring Gesellschaft aufzubauen, deren Ideal “universal care” ist. (…) wir schlagen eine neue Ethik der „promiscuous care“ vor, die es uns ermöglichen würde, die Zahl der Menschen, für die, um die und mit denen wir uns
kümmern können, zu vervielfachen, und die es uns somit erlauben würde, mit den Formen von care zu experimentieren.“(S33))


CBA will ein Knotenpunkt für diese Circles of Care sein, und Menschen zusammenbringen, die ihr Wissen über Community Building teilen und weiterentwickeln möchten, um Care ins Zentrum ihrer Gemeinschaften zu stellen.